Süsses im Stall…
…Feines in der Pfanne

Von Sylvia Sommer (Text) und Henny Manz (Bilder)

Kochen besucht Leserinnen und Leser in ihren Küchen. Eine Serie mit Gerüchen, Gerichten und Geschichten. Heute bei Sandra und Manfred Keiser-Lörtscher in Büren bei Stans.

Sandra bei den Schafen

113 Schafe, 2 Böcke, 70 Lämmer und eine Frau, die gerne kocht – da gibts «Schafigs», hoffen wir in der Zentralbahn Richtung Stans. Gibts dann, Schwein gehabt, tatsächlich auch. «Ui, die zwei Stadtfrauen essen sicher kein Lamm», hat sich Gastgeberin Sandra Keiser nämlich gedacht und es Gottlob dann doch gewagt, uns Hofeigenes vorzusetzen. Viele seien halt etwas heikel, dabei «schöfele» und «böckele» das Fleisch überhaupt nicht – ebenso wenig wie Schafmilch, -käse und -joghurt, verteidigt sie ihre Produkte vehement.

Dreimal wöchentlich liefern sie und ihr Mann Manfred vom auf 700 Metern über Meer und mit wunderschöner aussicht auf Pilatus, Stanserhorn, Bürgenstock und Vierwaldstättersee gelegenen Hof Schafmilch in die Stanser Molkerei Barmettler AG. Dort werden Mutschli, Joghurt und, wenns dem Käser «drum ist», auch Quark hergestellt.

Jetzt spinnt der Keiser völlig

„Kochen“ beim Mittagessen

Vor 3 Jahren haben Sandra und Manfred ihren Betrieb vollständig auf ostfriesische Milchschafe umgestellt. «In der Übergangsphase hatten wir Kühe und Schafe. aber Kühe melken, Schafe melken, Schafe melken, Kühe melken, das wurde zu viel», erzählt uns Sandra. Glücklicherweise konnte Käser Barmettler schliesslich auch Coop mit Schafmilchprodukten beliefern – «duruis» läuft die Ware gar noch besser als in der Region – sodass sie den Schritt wagten. Und bis heute nie bereut haben. Selbst als die Leute in der Umgebung befürchteten, jetzt spinne der Keiser völlig. Aber «der Keiser» ist inzwischen total aufs Schaf gekommen.

 

Manfred in der Mittagspause

«Ich sags dir, als wir mit den ersten Lämmli in die Metzg gingen, hatte ich eine Riesensache mit Manfred. Dem war das Augenwasser zuvorderst», schmunzelt Sandra. Er hänge extrem an seinen Tieren und sitze manchmal bis Mitternacht bei den Lämmern unten, um denen, die es nicht auf Anhieb begreifen, das Trinken vom Milchautomaten beizubringen. Im Alter von vier Tagen werden die Jungen nämlich von der Mutter getrennt. Die Mutterschafe seien manchmal ganz froh, ihre Bälge los zu sein, beschwichtigt uns Sandra: «Das ist wie bei uns mit dem Stillen. Wenn ständig eines am Euter hängt – eh ja, isch doch so!» Da die Schafe quasi Familienanschluss geniessen, sind sie auch entsprechend zahm und gehorchen aufs Wort. «Das find i verreckt, dass ne nid muesch hinnedrii seckle», staunt auch Sandra. Bloss die jungen Lämmer können mit dem Befehl «chömed ine» zu Beginn nicht viel anfangen. Bis es ihnen die Spielgruppenleiterinnen, in diesem Fall die ältesten Schafe – ohne Metzger werden sie etwa 15-jährig –, beigebracht haben.

Chatz und Chatz

Lammvoressen

Während wir über die Lämmli diskutieren, schmort derweil ein Januar-Exemplar auf dem Herd. Lammvoressen mit Kartoffelgratin gibts für die heute ausgedehnte «Tischete». Die drei Kinder Lukas, Nadja und Andreas sind über Mittag mit Nadjas Gspänli Linda aus der Schule heimgekommen, Schwägerin Esther wandelt einen alten Bauwagen für den bevorstehenden Tag der offenen Tür in eine Schafbar um und ist ebenfalls hungrig, und auch Roli, der die Melkmaschine wieder in Schwung bringt, ist den Berg hochgekommen. Unter dem Tisch lauert eine der zwei hauseigenen Katzen – beide rot getigert und mit dem schlichten Namen «d’Chatz» – auf heruntergefallene Häppchen, die unzähligen anderen Katzen, die weiss-niemand-woher kommen, lungern in sicherem Abstand um den Tisch herum. Das Essen schmeckt wunderbar deftig, das Lamm ist zart wie Kalb und würde garantiert unzählige weitere Stadtfrauen begeistern. Einzig der Anblick der süssen Lämmer hätte uns den Appetit verderben können – aber von denen liessen wir uns, geschickter Schachzug der Köchin, erst nach Voressen, Kaffee und Schafmilch-Eierlikör auf Fingern und Jacke rumkauen und tief in die Augen blicken.

NÖTIGES UND UNNÖTIGES

PRAKTISCH UND NÖTIG
Die Abwaschmaschine. «Die würde ich mir, wenns sein müsste, am Essen absparen.»

PRAKTISCH UNNÖTIG
Die automatische Pfeffermühle mit Licht. «Darauf hat die Menschheit ja gewartet!»

Kochen 7/8 | 2009